„Was kann ich denn besser machen?“ seufzte er mit leicht erhobenen Armen.
So wie diesen Patienten erlebe ich viele Krebsbetroffene. Sie fragen sich: Was habe ich falsch gemacht? Wie kann ich mich in Zukunft verhalten, damit der Krebs nicht wiederkehrt?
Der Blick ins Internet verspricht viel:
„Eine bahnbrechende Studie belegt“.
„So bekommen Sie garantiert keinen Krebs“
„Mit XY den Krebs garantiert bekämpfen“
Kein Wunder, dass Unsicherheit herrscht. Und das Gefühl „Schuld“ zu sein an der Erkrankung. Viele greifen daher zu drastischen Diäten – nach dem Motto: „Viel hilft viel“ und verzichten komplett auf Kohlenhydrate, Zucker, oder sogar auf feste Nahrung und ernähren sich fortan von Säften und Nahrungsergänzungsmitteln.
Doch so einfach ist es nicht. Natürlich finden Wissenschaftler immer wieder gute Belege dafür, dass wir mit unserem Lebensstil das Krebsrisiko senken können. So beschreibt eine 2018 verfasste Meta-Studie mit über 7.000 Teilnehmern, dass 45% der Darmkrebsfälle auf das einen ungesunden Lebensstils (Rauchen, Alkoholkonsum, schlechte Ernährung, wenig körperliche Aktivität und hohes Körperfett) zurückzuführen sind (1).
Ein gesunder Lebensstil ist mit einem reduzierten Risiko für Darmkrebs verbunden, – und zwar unabhängig vom genetischen Profil des Patienten. Es wird zudem geschätzt, dass unsere tägliche Ernährungsweise zwischen 20 und 25% der weltweiten Krebslast bedingt. Eine Adipositas aufgrund hochkalorischer Ernährung und Bewegungsmangel ist für 10-15% der Krebsarten verantwortlich, während jeweils etwa 5% auf Alkohol-Abusus und bestimmte Ernährungsfaktoren wie rotes Fleisch, Vollkornprodukte oder Kalzium zurückzuführen sind.
Auch der dritte Expertenbericht des World Cancer Research Funds (WCRF) bestätigt die Bedeutung eines gesunden Lebensstils für die Krebsprävention.
Dabei ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Ernährungsepidemiologie anfällig für Messfehler ist. Meist werden Studien auf Grundlage von Ernährungsprotokollen gemacht, die sich nur auf einen einzigen Messzeitpunkt beziehen und die zudem dem Gedächtnis der Teilnehmer entspringen. Das allein ist schon schwierig, bedenkt man, dass es sich bei Krebs um eine Krankheit mit einer (meist) langen Latenzzeit handelt. Die Evidenz, dass einzelne Lebensmittel oder Nährstoffe das Krebsrisiko beeinflussen, ist somit begrenzt. Die Aussagen der vielen Ernährungs-Studien ziemlich heterogen. Daher sollten Behauptungen wie „Brokkoli schützt vor Krebs“ mit Skepsis betrachtet werden (2).
Trotz all dieser Einschränkungen gibt es einige begrenzte Ernährungsfaktoren, die laut dem heutigen Stand der Forschung mit dem Krebsrisiko in Verbindung stehen könnten:
Verzehr von Lebensmitteln, die in Salz konserviert wurden:
Salz kann Schleimhautschäden verursachen und das Risiko für Tumore in der Mundhöhle, dem Rachen und dem Magen erhöhen (3). Von einem hohen Konsum an eingelegtem Gemüse und eingesalzenen Fisch ist daher abzuraten.
Obst und Gemüse:
Ein hoher Verzehr von Obst oder Gemüse zeigt keine überzeugende Verbindung zum Krebsrisiko, aber eine geringe Aufnahme könnte das Risiko für einige Krebsarten erhöhen. Bestimmte Obst- und Gemüsesorten enthalten zudem potenziell schützende Inhaltstoffe (4). Der Verzehr von Obst und Gemüse ist zudem mit einem höheren Ballaststoffanteil verbunden, was das Darmkrebsrisiko reduzieren kann.Obst und Gemüse: Ein hoher Verzehr von Obst oder Gemüse zeigt keine überzeugende Verbindung zum Krebsrisiko, aber eine geringe Aufnahme könnte das Risiko für einige Krebsarten erhöhen. Bestimmte Obst- und Gemüsesorten enthalten zudem potenziell schützende Inhaltstoffe (4). Der Verzehr von Obst und Gemüse ist zudem mit einem höheren Ballaststoffanteil verbunden, was das Darmkrebsrisiko reduzieren kann.
Vitamine und Mineralstoffe:
Ein Mangel an Vitaminen und essentiellen Mineralstoffen könnte das Krebsrisiko erhöhen. Auch wenn hier die Studienlage noch nicht ausreichend aufgestellt ist. Zwar gibt es leichte Hinweise, dass Vitamin C aus Obst und Gemüse beispielsweise das Risiko für Magenkrebs verringern könnte, hochdosierte Multivitamin-Präparate senken jedoch das Krebsrisiko nicht und können es sogar erhöhen (5).
Adipositas:
Übergewicht ist ein Risikofaktor für verschiedene Krebsarten, darunter Darm und Pankreaskrebs.
Rauchen und Alkohol:
Übermäßiger Alkoholkonsum kann das Risiko für verschiedene Krebsarten wie Speiseröhrenkrebs, Darmkrebs, Brustkrebs und Leberkrebs erhöhen(2). Rauchen ist natürlich mit einem erhöhten Risiko für Lungenkrebs assoziiert. Vorsicht sollte hier mit Nahrungsergänzungsmitteln geboten sein. Studien, die Rauchern zur Krebsprävention ß-Carotin gaben mussten abgebrochen werden, da die Gabe ein unerwartet höheres Lungenkrebsrisiko nach sich zog(4).
Aflatoxin:
Eine erbgutverändernde Verbindung mit Ursprung im Pilz Aspergillus kann das Krebsrisiko erhöhen. Dieser kommt auf Lebensmitteln wie Getreide, Nüsse, Trockenfrüchte vor, welche unter heißen und feuchten Bedingungen gelagert wurden.
Heiße Getränke:
Der Konsum von Getränken über 65°C kann das Risiko für Speiseröhrenkrebs erhöhen. Auf der anderen Seite gibt es Hinweise, dass Heißgetränke wie grüner Tee oder Kaffee vor Haut-, Leber- und Endometriumkarzinomen schützen könnten – diese aber vielleicht nicht zu heiß genießen (2) (6)
Adipositas:
Übergewicht ist ein Risikofaktor für verschiedene Krebsarten, darunter Darm und Pankreaskrebs.
Kalzium und Milchprodukte:
Es gibt Hinweise darauf, dass ein hoher Konsum mit einem erhöhten Darmkrebsrisiko verbunden sein könnte. Jedoch ist dies vor allem auf das in der Milch enthaltene Kalzium zurückzuführen, welches an Gallensäuren binden und so deren karzinogene und tumorfördernde Eigenschaften auf das Dickdarmgewebe verringern könnte. Zudem spielt das intrazelluläre Kalzium eine bedeutende Rolle bei der Hemmung der Proliferation und der Förderung der Differenzierung und Apoptose von normalem und neoplastischem Dickdarmepithel (10).
Vollkornprodukte:
Der Verzehr von Vollkornprodukten kann das Darmkrebsrisiko möglicherweise reduzieren. Das kann zum einen daran liegen, dass Vollkorngetreide reich an sekundären Pflanzenstoffen sind, zum anderen sind sie reich an Ballaststoffen, welche das Stuhlvolumen erhöhen und somit die Transitzeit des Darmes verkürzen. Dadurch werden Karzinogene verdünnt und ihre Absorption im Darmepithel verringert. Ballaststoffe können zudem im Dickdarm zu kurzkettigen Fettsäuren wie Butyrat fermentiert werden. Butyrat hat das Potenzial, Apoptose und Antitumorwirkung zu fördern und damit das Tumorwachstum zu verringern (11).
Trotz Unsicherheiten in der Forschung wird immer wieder eins bestätigt: eine abwechslungsreiche Ernährung und ein gesunder Lebensstil sind die besten Maßnahmen, um ernährungsbedingte Risikofaktoren für Krebs zu minimieren. Das klingt natürlich langweiliger als eine besondere Diät und massenweise Nahrungsergänzungsmittel, aber es entlässt vielleicht auch viele Betroffene aus der andauernden Suche nach der nächsten Diät. Es gibt leider (derzeit) kein Wundermittel gegen Krebs, aber wir können dennoch selbst viel tun, um einen gesunden und aktiven Lebensstil zu führen. Das ist in meinen Augen schon sehr tröstlich.
Wolfgang Wilmanns Stiftung
c/o Prof. Dr. med. Volkmar Nüssler Ruderatsried 7 / 87651 Bidingen